Pferdesprache

Mit diesem Beitrag möchte ich hier den Anfang machen und allen interessierten Menschen die Sprache der Pferde etwas näher zu bringen und manches Missverständniss aufklären.

Nur wenn man versteht was in seinem Tier wirklich vorgeht, kann ein fairer Umgang und eine gute und vertrauensvolle Kommunikation statt finden und somit auch erst eine tiefe Partnerschaft und Freundschaft zwischen Mensch und Tier enstehen.

Es ist kein Hokuspokus, keine Magie oder so ein "Westernding"..


Es ist die Grundlage aller guten Pferdetrainer auf der ganzen Welt.

Jeder kann die Sprache der Pferde lernen wenn er es möchte. Man muss jedoch auch etwas Geduld mit bringen. chinesisch lernt man auch nicht in 2 Wochen ..

Ich erlebe täglich das noch sehr viel Aufklärungsbedarf besteht und möchte auf diesem Wege noch mehr Menschen erreichen, um noch viel mehr Pferden zu helfen, die in von Menschen gemachten "Denk-Schubladen" fest stecken.



Missverständnisse


Immer wieder stelle ich fest, das Pferdebesitzer die Sprache ihrer Tiere oft völlig falsch interpretieren. Viele der kleinen und großen Signale werden gar nicht erst beachtet oder falsch gedeutet.

Erkläre ich meinen Kunden was ihnen ihr Pferd gerade wirklich mitteilen möchte und wie sie auf diese Signale und Gesten am besten schon im Vorfeld reagieren, lösen sich  Probleme in oft sehr kurzer Zeit. Natürlich funktioniert es nur nachhaltig wenn der Mensch auch bereit ist dauerhaft umzudenken und an sich selbst stetig zu arbeiten. 

Pferde kommunizieren fast ständig miteinander. Ohren, Mimik, Halshaltung, Schweif und Körperspannung sind dabei ihre "Stimme". Wie laut oder leise sie gerade kommunizieren, verät die Geschwindigkeit der Gesten und auch ihre Intensität. (Timing)

Wie schnell dabei Missverständnisse entstehen können, möchte ich einmal an folgenden kurzen Beispielen aufzeigen:

Angelegte/zurückgelegte Ohren


= Drohgebärde
= Geräusch von hinten wahrnehmen/Wind von vorn

Schweif schlagen


= Fliegen verjagen
= Unwohlsein/Schmerz/Unruhe

Das sind nur zwei Beispiele von zahlreichen weiteren Fehldeutungen. Man muss immer das Gesamtbild im Zusammenhang sehen, um zu verstehen was im Pferd gerade wirklich vorgeht. Dazu muss man sich viel Wissen aneignen und verstehen was es bedeutet ein Flucht- und Herdentier zu sein und welche Instinkte dabei eine Rolle spielen.

Instinkte

Um Pferdesprache zu verstehen, sollte man zuerst verstehen wie Pferde wirklich denken und fühlen. Pferde werden von ihren arteigenen Instinkten als Flucht- und Herdentier geleitet. Dadurch wird ihr gesamtes Handeln und Denken bestimmt. Diese Instinkte sicherten ihren Urahnen und heute noch frei lebenden Verwandten das Überleben und den Fortbestand ihrer Art. Auch unsere Hauspferde werden von diesen Instinkten gesteuert. Das zu verstehen und zu verinnerlichen ist für die Kommunikation sehr wichtig. Ihre Denkweise unterscheidet sich grundlegend von unserer viel rationaleren menschlichen Denkweise. Daher ist es ein Grundfehler unsere menschliche Denkweise auf ein Pferd zu übertragen.

Wird ein Pferd z.B. von einem Instinkt "getriggert", kann dies  Angst und Panik im Tier auslösen, ohne das der Mensch dafür einen wirklichen Anlass erkennt. Z.b. was es für ein Pferd bedeutet sich von der Herde und dem gewohnten Stallgelände zu entfernen. In der Wildnis ist ein Pferd ohne den Schutz seiner Herde eine leichte Beute für verschiedene Raubtiere. Unsere Hauspferde haben diesen Instinkt noch heute. Ist der Mensch ihnen kein suveräner Anführer der Sicherheit, Mut und Ruhe ausstrahlt, wird es sich auch nur ungern von seiner Herde entfernen. Mit jedem Meter der Entfernung kann es mehr und mehr in Panik geraten und wird eventuell versuchen sich los zu reißen um schnell zurück zur sicheren Herde zu kommen. 

Balance

Eine gute Eigenbalance ist für Pferde ein elementarer Überlebensmechanismus. Verliert das Pferd seine Balance auf der Flucht und droht dadurch zu stürzen, ist es in der Wildnis leichte Beute und darüber sind sich Pferde durchaus bewusst.

Vierliert ein Pferd also seine Balance durch das Verhalten des Menschen z.B. durch ungeübter Reiter, mangelnde Ausbildung, Überforderung auf Kreisbahnen, uvm zeigt es das sehr deutlich über verschiedenes Verhaltensweisen z.B. extreme Triebigkeit, übersteigerte Schreckhaftigkeit, übersteigertes Tempo, buckeln, loßreißen, ect. 

Der Mensch interpretiert das Verhalten meist als Unwillen oder gar Übermut. Dabei möchte das Pferd es uns doch gerne recht machen aber der Instinkt sagt ihm das Balanceverlust = Lebensverlust sein könnte und es reagiert wie ein Flucht- und Beutetier nur einmal reagiert, um dieses Risiko zu vermeiden.

Schmerzen

Schmerzen so lange zu verbergen wie nur möglich, gehört in der Natur ebenfalls dazu, wenn man zur Fraktion der Beutetiere gehört. Ein Raubtier wird immer ein lahmendes oder schwach erscheinendes Tier bevorzugt angreifen, da dies leichte Beute bedeutet. Daher ist es unseren Pferden angeboren Schmerzen erst dann zu zeigen, wenn diese gar nicht mehr zu verbergen sind. Ich habe Pferde erlebt die sich vor Schmerzen z.B. durch unpassende Sättel kaum noch bewegen konnten, offene Druckstellen hatten, wunde  Gurtlagen, (unerkannte) Gelenk- oder Sehenschäden, uvm aber dennoch brav weiter ihre Runden unter dem Reiter gedreht haben. Das Drohverhalten beim satteln, gurten oder dem Aufsteigen hat man als Spinnerrei oder Böswilligkeit abgetan und teilweise sogar noch bestraft.

Gurtzwang & Sattelzwang sind absolut keine Unarten. Es sind IMMER deutliche Hilfeschreie des Pferdes in seiner Sprache und haben IMMER eine Ursache, die es gilt schnellst möglich heraus zu finden und abzustellen -> Sattel, Reiter, Anforderung, div. Krankheiten..

-> Aggression

Drohungen und Aggression entstehen oft aus Unverständnis von Schmerzen heraus. Sie können aber auch andere Gründe haben wie mangelnde Grunderziehung, Misshandlung, Unsicherheit, uvm. Selbst kleine Drohungen sollten niemals als "Spinnerrei" oder "Gezicke" abgetan werden, da dein Pferd dir hier etwas mitteilen möchte, was du vermutlich übersehen hast. Wer diese Singale bei seinem Pferd ignoriert oder gar bestraft, ohne dessen genauen Grund zu kennen, verliert den Respekt und das Vertrauen seines Pferdes meist vollkommen und riskiert dessen Gesundheit und die Eigene dazu. Immer gehen gezielten Angriffen/Drohgebärden große oder kleine Gesten voraus, die oft jahrelang übersehen werden (siehe Schmerzen).


Regeln aufstellen & Grenzen setzen

Ein Pferd kennt bereits Regeln und Grenzen aus seiner Zeit als Fohlen und Jungpferd. Pferdemuttis erziehen ihre Fohlen autoritär. Ein zu heftiges zwicken ins Euter der Stute beim Säugen, bekommt das Fohlen just mit einem sanften Stubser an den Fohlenpopo kommentiert. Reagiert das Fohlen nicht darauf und kneift weiterhin der Stute ins Euter, erfolgt ein deutlicherer Stubser oder auch sanfter Biss, usw Bis das Fohlen versteht das sein unerwünschtes Verhalten eine gesteigerte Konsequenz zur Folge hat.
Später sorgen auch die anderen Herdenmitglieder für die Erziehung des Jungpferdes und weisen es durch deutliche Körpersprache mit gesteigerter Konsequenz und meist schnellen Reaktionen in seine Schranken.

Eine intakte Herde hat ihre eigenen Gesetze und Regeln, je  nach Alter, Erfahrung und Charakter der Leittiere und Mitglieder des Familienverandes. Diese Regeln bieten der gesamten Herde ein hohes Maß an Sicherheit. Neuzugänge werden erst in den Verband integriert, wenn sie die Regeln akzeptieren und auch befolgen. Andernfalls bleiben sie außen vor und werden so lange mit Drohgebärden, Tritten und Bissen von der Gruppe gejagt und vertrieben, bis sie  bereit sind, die Regeln vom Herdenverband zu akzeptieren.

Daher ist es so wichtig auch als Mensch im Umgang mit seinem Pferd gewisse Regeln zu haben und diese auch konsequent und fair umzusetzen. Nicht um Dominanz zu zeigen oder sonstige überholte Denkweisen.. Einfach um seinem Pferd ein hohes Maß an Sicherheit auch außerhalb der Herde zu bieten.


Sorgfalt & Höflichkeit

Einfache Regeln des Anstands und der Höflichkeit kann man auch als Mensch von seinem Pferd verlangen. Man geht ja schließlich auch (hoffentlich) mit Respekt und Sorgfalt mit seinem Pferd um. Erwartet man jedoch erst gar kein höfliches Verhalten von seinem Pferd und/oder ist selbst nicht besonders umsichtig, gerät der Respekt und Vertrauen schnell aus dem Gleichgewicht. Wer mich einmal beobachtet hat wie ich meine Pferde halftere, putze und sattle versteht  was ich meine. Ist man dort bereits achtlos, grob und hektisch, ist das gar kein guter Start für das folgende Training und bleibt dem Pferd auch in negativer Erinnerung. So wird sich dein Pferd nur ungern in deine Hände begeben und dir im Umkehrschluss auch kaum Achtsamkeit, Respekt und Vertrauen entgegen bringen.

Da dies ein recht komplexes Thema ist, sei es hier nur kurz erwähnt und füllt vielleicht bald ausführlich einen anderen Beitrag.


PFERDE LESEN MENSCHEN

Bereits von weiten erkennen Sie deinen aktuellen Zustand, da sie nun mal die echten Experten im Lesen von Körpersprache sind. Auch deine Mimik können Pferde (auch laut neuesten Studien) sehr gut interpretieren. Das sollte dir klar sein wenn du dich einem Pferd näherst. Sie erkennen genau ob du dich ihnen motiviert, übermotiviert, unmotiviert, gar wütend, ängstlich oder unsicher näherst und werden dir das entsprechend spiegeln. Auch die Tonlage deiner Stimme spielt für Pferde eine große Rolle. Lob und Tadel erkennen sie sehr genau an deiner Stimmhöhe. Sie können aus dem Gesamtbild (Körpersprache + Stimmlage + Reaktionszeit) regelrecht deine Gedanken lesen.

Also überlege dir genau wie du von deinem Pferd von der ersten Sekunde an wahr genommen werden möchtest.

Oft impliziert man auch oft unbewusst Dinge in sein Pferd wenn man es bereits in eine bestimmte Schulbade gesteckt hat (der ist böse, faul, dumm, ängstlich, zickig..)
Da sich Pferde von Natur aus anschließen möchten und sie es dem Anführer gern recht machen wollen, werden Pferde schnell zu dem was DU in ihnen siehst.

Mit welcher Grundeinstellung du deinem täglich Pferd entgegen trittst ist also sehr sehr wichtig und bestimmt euer Miteinander grundlegend.

FOKUS

Die Konzentration bei seinem Pferd, ist ein weiterer sehr wichtiger Punkt und für eine funktionierende Kommunikation entscheidend. Es überrascht mich immer wieder wie schnell ein Pferd doch bemerkt das sein Mensch gerade mit den Augen und Ohren wo ganz anders ist.
Kommunizieren Pferde miteinander, lassen sie sich kaum auch nur eine Sekunde aus den Augen. Daher registrieren sie natürlich auch sofort wenn wir unsere Aufmerksamkeit/unsere Augen etwas anderem zuwenden und deuten dies als Ende der Kommunikation und reagieren entsprechend. Der  Focus auf das Pferd ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Training. Kennt man sich jahrelang in- und auswendig und alles läuft ohne größere Probleme, ist es natürlich kein Problem seinen Fokus auch etwas anderem zuzuwenden aber ein guter Pferdemensch hat trotzdem IMMER mindestens ein Auge und ein Ohr ständig bei seinem Pferd.


TIMING

Damit ist die Reaktionsfähigkeit gemeint, in der du mit deinem Pferd interagierst. Dazu sollte man wissen das Pferde eine Reaktionsfähigkeit von 0,3 Sekunden haben und ein Mensch für gewöhnlich bei ca 0,8 -1,0 Sekunden Reaktionszeit liegt. Ein Fluchttier MUSS sehr schnell reagieren können, um sein Überleben sichern zu können. Als Trainer/in liegt das Können zu einem großen Teil in einem sehr schnellen Timing, welches ständig trainiert werden muss und z.B. bei Korrekturen über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Aber auch als Pferdebesitzer sollte man sich unbedingt ein schnelles Timing angewöhnen, um sein Pferd fair zu erziehen und ihm Dinge in seinem Tempo bei zu bringen. Selbst kleine Korrekturen, wie das unerwünschte fressen am Wegesrand zu korrigieren, erfordert unbedingt eine gewisse Schnelligkeit vom Menschen, um vom Pferd überhaupt als solche wahr genommen zu werden. Erfolgt die Korrektur einige Sekunden später, wird das Pferd diese Korrektur kaum noch mit dem unerwünschten Verhalten verbinden und der Kopf ist wenige Sekunden später wieder im Gras.. Warum? Auch hier können wir sehr viel von den Pferden selbst lernen. Beobachtet man z.B. die Integration neuer Pferde in eine bestehende Herde, wo Erziehung und Grenzen setzen ganz oben steht, erfolgen diese Reaktionen in Bruchteilen von Sekunden. "Entspanntere Infos" erfolgen dagegen eher fließender und deutlich langsamer.

Das Timing richtig zu dosieren ist die Kunst, die jedoch dazu gehört wie der Punkt und das Ausrufezeichen, um eine Sprache auch wirklich verständlich Sprechen zu können. Ständig zu schnell in der Reaktion wäre allerdings ebenso problematisch als ständig zu langsam zu sein. Wann man schnell reagieren sollte und wann es eher angebracht ist langsam zu reagieren, erfordert Erfahrung, eine sehr gute Beobachtungsgabe und da wären wir auch schon beim nächsten Kapitel..

Beobachtungsgabe

Wie schon bei den vorherigen Anschnitten erklärt, sind Pferde überaus gute Beobachter. Sie scannen ständig ihre Umgebung und ihr Gegenüber. In erster Linie dient dies der Sicherheit um Gefahren rechtzeitig zu erkennen. (Fluchttier).
Ein Herdentier welches zu 99% über Körpersprache kommuniziert, ist ebenfalls auf eine gute Beobachtungsgabe angewiesen. Augen und Ohren sind daher immer auf "Empfang". So lange also der Anführer der Herde gemütlich grast, ist die Welt drum herum in Ordnung. Auf Grund seiner Erfahrung kann er gut einschätzen ob Geräusche oder gewisse Situationen Flucht oder Entspannung bedeuten. Er signalisiert dies den anderen über seine Körpersprache und eine ruhige Atmung. Die Herde vertraut ihm/ihr und lernt von seinem Verhalten. Auch wir können sehr viel vom Verhalten eines suveränen und erfahrenen Herdenanführers lernen. Dies kann eine oder mehrere erfahrene Leitstuten oder ein entspannter Leitwallach sein. Schutzhengste sind bei unseren Hauspferdeherden eher die Ausnahme. Die Leittiere sind also suverän, mutig und konsequent in ihrem Handeln. Sie entscheiden über Flucht oder entspanntes weiter grasen. Alle Pferde der Herde orientieren sich an dessen Reaktion.

Nun übertragen wir das einmal auf die Zweier-Herde, die wir mit einem Pferd bilden, sobald wir es aus seiner Gruppe der Artgenossen heraus nehmen. Im besten Fall sind wir nun das Leittier. Das Pferd orientiert sich an unserem Verhalten. Es registiert genau unsere Körpersprache, unsere Mimik, unsere Atmung, unsere Reaktionsfähigkeit.


Zusammenfassung

Es gibt sicher noch einige Punkte die man in diese Liste der Pferdesprache zufügen könnte, aber ich möchte es erst einmal hierbei belassen.

Ich hoffe ihr könnt euer Pferd nun etwas besser verstehen wie es wirklich denkt und fühlt, nämlich wie ein Tier welches nicht in unseren Mustern denkt. Vermenschlichtes Denken ist im Umgang, bei der Erziehung und Ausbildung von Pferden völlig fehlt am Platz.

Ein Pferd verarscht dich nicht!
Ein Pferd ist niemals falsch oder simuliert gar Schmerzen!
Pferde haben "keinen schlechten Tag" oder keinen Bock.

Alles was ein Pferd ausdrückt, hat immer auch direkt oder  indirekt mit dem Menschen zu tun. Sie sind uns in all ihren Belangen vollständig ausgeliefert.

DU entscheidest über seine Haltung, seine Fütterung, seine Ausrüstung und sein Training.
DU bist verantwortlich für seine Erziehung, seine Ausbildung und ja, sogar über seine Gesundheit und seine Fortpflanzung.

Schuld an Problemen ist daher IMMER der Mensch und niemals das Pferd!

Nun ist es normal das wir alle Fehler machen und keiner ist als Pferdprofi zur Welt gekommen. Diese tollen Tiere geben uns jeden Tag aufs Neue die Chance es besser zu machen und verzeihen uns viele Fehler.

Es liegt allein an uns die Welt der Pferde wieder ein Stück besser zu machen, so lange wir bereit sind dazu zu lernen und unser Wissen stetig zu erweitern. 


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